Kann ein traumatisiertes Tier glücklich werden?

Für viele Tierfreunde ist es mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, Tiere aus dem Tierheim oder Auslandstierschutz aufzu-nehmen, damit sie ein liebevolles  und schönes Zuhause haben.

 

Häufig haben diese Tiere in der Vergan-genheit schlechte oder sogar traumatische Erfahrungen mit Menschen oder auch Art-genossen gemacht und diese negativen Erlebnisse prägen ihr Verhalten. Dadurch kommt es sehr häufig vor, dass die Tiere große Schwierigkeiten haben, sich in ihrem neuen Zuhause einzuleben. Viele sind z.B. sehr ängstlich und scheu, geräusch- und lichtempfindlich, lassen sich nicht gerne berühren etc.

 

Es gibt auch Tiere, die innerlich nervös und hyperaktiv sind, wodurch sie schlecht zur Ru-he kommen und Konzentrationsschwierigkeiten haben, manche schlafen unruhig, stehen nachts häufig auf und laufen umher oder träumen schlecht. Einige reagieren in bestim-mten Situationen plötzlich und aus unerklärlichen Gründen gereizt und aggressiv.

 

Die Verhaltenssymptome können sehr vielschichtig sein und oft kommen im Laufe der Zeit noch einige hinzu, dadurch ist der Umgang mit ihnen für den Halter oft sehr schwie-rig.

Wodurch entsteht ein Trauma?

Ein psychisches Trauma ist ein unverarbeiteter Schockzustand, es entsteht eine seelische Wunde. Das Tier ist nicht in der Lage, das Erlebte psychisch zu verarbeiten und loszulas-sen, dadurch wird die Schockenergie im Gehirn und im Nervensystem gespeichert, wo-durch sein Organismus ständig Stresshormone freisetzt, so als würde es sich immer noch in der gefährlichen Situation befinden. Ein traumatisiertes Tier lebt also unter permanen-ter Anspannung und es genügen bereits geringste Reize, um das Trauma zu aktivieren und damit bestimmte Verhaltensweisen auszulösen.

 

Grundsätzlich kann jedes Tier ein Trauma bekommen, z.B. durch einen Unfall oder einen lauten Knall. In so einem Fall handelt es sich um ein Schocktrauma, das Tier hat durch den Vorfall einen Schock erlitten. Wenn das Tier eine stabile Psyche hat und mithilfe des Tierhalters kann es so ein Erlebnis normalerweise relativ schnell verarbeiten, so dass es

zu keinem Trauma kommt. Wenn einen Schock nicht oder nur unzureichend von dem Tier verarbeitet werden konnte, dann macht sich das dadurch bemerkbar, dass es in Situatio-nen, die an das Schockerlebnis erinnern, mit auffälligen Verhaltensweisen reagiert, das Tier wird z.B. panisch, nervös und zittrig, es möchte flüchten oder erstarrt, einige Tiere reagieren aggressiv und sind kaum noch zu bändigen.

 

Das vermutlich bekannteste Schocktrauma bei Tieren bzw. das Verhaltenssymptom, das aufgrund des Traumas entstehen kann, ist die Knallangst. Bei vielen Tieren zeigt sich die-ses Trauma an Silvester.

 

Besonders schwerwiegend ist die Traumatisierung eines Tieres in der Prägephase, denn diese Art von Trauma hat einen starken Einfluss auf seine Entwicklung und das spätere Verhalten. Diese Form des Traumas nennt man Entwicklungstrauma.

 

Die Prägephase eines Tieres ist eine sehr wichtige Zeit, in der es sich nicht nur körperlich entwickelt und wächst, sondern auch soziales Verhalten lernt und Urvertrauen aufbaut. In dieser Phase entscheidet sich, ob das Tier in seinem späteren Leben in der Lage sein wird, vertrauensvolle Verbindungen zu Artgenossen und Menschen aufzubauen und in heraus-fordernden Situationen ruhig und souverän zu reagieren oder ob es generell misstrauisch, vermeidend und ängstlich sein wird. Man kann sagen, in der Prägephase wird das Funda-ment  für das spätere Leben aufgebaut.

 

Die Prägephase eines Tieres beginnt bereits im Mutterleib, denn bestimmte Wesenzüge der Mutter werden bereits hier weitergegeben. Wenn das Muttertier z.B. sehr ängstlich ist und ständig unter Anspannung und Stress steht, wird sich das nachteilig auf die Entwick-lung und das spätere Verhalten der Tierkinder auswirken.

 

Nach der Geburt ist das Tierbaby auf die absolute Hingabe und Fürsorge der Mutter ange-wiesen sowie auf ein liebevolles Umfeld und eine artgerechte Haltung. Sobald ein Aspekt fehlt, gerät das Nervensystem aufgrund des biologischen Überlebensreflexes in einen Alarmzustand. Dieser Alarmzustand wird im Nervensystem des Tierbabys gespeichert und führt zu Verhaltensauffälligkeiten.

 

Ein Entwicklungstrauma kann also z.B. durch eine nicht artgerechte Haltung während der Prägephase des Tieres entstehen oder durch Vernachlässigung, z.B. aufgrund einer frühen Trennung von der Tiermama oder wenn sie nicht in  der Lage ist, ihre Tierkinder ausreichend zu versorgen und aufzuziehen, weil sie z.B. krank ist.

 

In den ersten Lebenswochen lernt das Tierkind alles, was es für sein späteres Leben be-nötigt, die gewonnenen Erfahrungen während dieser Zeit sind prägend und durch spätere Erfahrungen nur noch schwierig auszugleichen.

Woran erkennst du ein Entwicklungstrauma bei deinem Tier?

Leidet ein Tier an einem Entwicklungstrauma, dann kommt es zu Dysregulationen des autonomen Nervensystems. Diese Fehlprägung äußert sich durch verschiedenste Ver-haltensauffälligkeiten, die in unterschiedlichen Alltagssituationen auftreten können, zu-dem neigen viele traumatisierte Tiere auch zu gesundheitlichen Problemen.

 

Zu den häufigsten Verhaltensauffälligkeiten bei traumatisierten Tieren gehören, z.B.:

  • unruhiges, hyperaktives Verhalten
  • Gereiztheit
  • innere Anspannung
  • zielloses Umherlaufen in der Wohnung
  • alles jagen wollen
  • aggressives Verhalten, z.B. Leinenaggressionen
  • vermehrtes Bellen/Miauen
  • starkes Hecheln
  • häufiges Zittern
  • schlecht zur Ruhe kommen
  • keine Impulskontrolle
  • Konzentrationsmangel, kaum Trainingsbereitschaft
  • häufiges Ausführen von Beschwichtigungssignalen
  • keine Nähe und Berührung zulassen wollen
  • ausgeprägte Ängstlichkeit, Schreckhaftigkeit
  • ständiges Kratzen oder Lecken der Haut bis Wunden entstehen
  • Schwanzjagen
  • Unsauberkeit (Urin & Kot)
  • Allergien, Haut- und Fellprobleme
  • Unverträglichkeiten
  • Verdauungsprobleme (Erbrechen, Durchfall, Verstopfung)
  • übermäßiger Appetit oder Appetitlosigkeit
  • vermehrtes Wassertrinken
  • etc.

 

Bitte beachte, dass die aufgelisteten Symptome auch Anzeichen einer Erkrankung sein können, deshalb ist es sehr wichtig, dass du dein Tier zunächst untersuchen lässt.

Faktoren, die ein Trauma verschlimmern können

Wie du bereits erfahren hast, steht das Nervensystem eines traumatisierten Tieres unter ständiger Anspannung. Dadurch haben diese Tiere andere Bedürfnisse und sind mit Situ-ationen, die eigentlich keine besondere Herausforderung oder Gefahr darstellen, schnell überfordert, denn ihr Nervensystem kann durch die Fehlprägung in der Welpenzeit nicht angemessen reagieren.

 

Es gibt es unzählige Faktoren, die bei einem traumatisierten Tier zur Aktivierung des Traumas bzw. zur Verschlimmerung führen können, z.B.:

  • Geräusche und Lärm
  • zu wenig Ruhephasen
  • unregelmäßiger Tagesablauf
  • übertriebene Zuwendung durch den Menschen
  • Missachtung der Signale, die das Tier aussendet
  • im Auto fahren
  • Strassenverkehr
  • geschlossene Räume
  • Spiele und sportliche Aktivitäten, die das Tier köperlich stark herausfordern
  • viele Menschen
  • andere Tiere oder Artgenossen (bei mangelnder Sozialisierung)
  • etc.

Wie kannst du einem traumatisierten Tier helfen?

Erfahrungen in der Haltung der jeweiligen Tierart sollten unbedingt vorhanden sein, denn ein traumatisiertes Tier kann eine große Herausforderung sein und mit einigen Vorkennt-nissen bezüglich der Verhaltensweisen, lässt sich das Tier besser einschätzen.

 

Zudem benötigt es neben viel Geduld und Liebe auch die einfühlsame Gewöhnung an die Umgebung und den Tagesablauf, damit es dem Tier leichter fällt, Vertrauen zu fassen. Die Dauer der Eingewöhnungsphase kann je nach Tier unterschiedlich sein, einige Tiere leben sich innerhalb weniger Tage ein, andere benötigen einige Wochen oder sogar Monate.

 

Manche Menschen, die ein traumatisiertes Tier aufnehmen, erwarten, dass das Tier be-sonders dankbar sein müsse und sich dadurch alle Probleme von alleine lösen. Eine be-stimmte Erwartungshaltung zu haben, ist für jede Beziehung eine schlechte Basis, da

das andere Lebewesen dadurch eingeschränkt wird und sich nicht frei entwickeln kann. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass ein Tier ein anderes Bewusstsein und eine andere Wahrnehmungsfähigkeit hat als wir Menschen. Für viele Tierschutztiere ist es deshalb zunächst ein Schock, wenn sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden, selbst wenn sie unter erbärmlichsten Umständen gelebt haben.

 

Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass sich ein Trauma nicht von alleine auflöst und das dein Tier die damit zusammenhängenden Verhaltensweisen nicht ohne professionelle Hilfe abstellen kann. Deshalb solltest du unbedingt Unterstützung durch eine/n Tierverhaltens-therapeut/in in Anspruch nehmen. Denn die Fürsorge und Liebe, die du deinem Tier täg- lich schenkst, sind zwar eine äußerst wichtige Grundlage, sie reichen aber alleine nicht aus, um es aus seinem seelischem Leid zu befreien.

 

Falls du bereits seit einiger Zeit mit einem traumatisierten Tier zusammenlebst, dann hast du vermutlich schon einiges ausprobiert, um die Verhaltensprobleme zu verbessern und das Zusammenleben zu harmonisieren, z.B. verschiedene Trainigsmethoden, spezielle Nahrungsergänzungsmittel, evtl. sogar Beruhigungsmittel vom Tierarzt. In den meisten Fällen bleiben die erwünschten Resultate jedoch aus, da mit den meisten Erziehungsmas-snahmen und Therapien lediglich versucht wird, die Verhaltenssymptome zu bekämpfen. Der Auslöser der Problematik, also das Trauma, bleibt aber unberührt, wodurch es nicht zu langfristigen Verbesserungen kommen kann.

 

Leider ist das Wissen über die Entstehung und Auswirkungen von psychischen Traumata bei Tieren bislang noch nicht sehr verbreitet, so dass es einige Anläufe benötigen kann, bevor man die geeignete professionelle Unterstützung gefunden hat.

 

Wie ich bereits weiter ob geschrieben habe, ist es zudem sehr wichtig, den Gesundheits-zustand des Tieres abklären zu lassen, da viele Verhaltensauffälligkeiten auch im Zusam-menhang mit bestimmten Erkrankungen entstehen können.

 

Aus naturheilkundlicher Sicht gibt es sehr wirksame Möglichkeiten, um das körperliche und psychische Wohlbefinden des Tieres zu verbessern. Vor allem die Bach-Blütenthe-rapie wird sehr erfolgreich in der Behandlung traumatisierter Tiere eingesetzt.

 

Eine weitere sehr hilfeiche Methode zur Unterstützung traumatisierter Tiere ist die ener-getische Behandlung. Es gibt verschiedene Methoden der Energiearbeit (z.B. Reiki), die bewirken, dass die im Nervensystem gespeicherten negativen emotionalen "Altlasten" sanft gelöst werden. Besonders bei Tieren zeigen sich oftmals sehr schnelle und beein-druckende Resultate, wodurch u.a. auch das Trainig mit den Tieren einfacher und effekti-ver wird.

 

Kann ein traumatisiertes Tier glücklich werden?

Die gute Nachricht ist, dass den meisten traumatisierten Tieren mit den richtigen The-rapien und Maßnahmen sehr gut geholfen werden kann, so dass sich das Trauma nach und nach abbaut und sie in ihr natürliches Gleichgewicht zurückfinden.

 

Der Weg dorthin ist nicht immer einfach, da es auch für den Tierhalter meistens bedeu-tet, an sich selber zu arbeiten, um dem Tier die notwendige Sicherheit und Geborgenheit geben zu können. Aber jeder Entwicklungsschritt lohnt sich, denn die meisten Tiere ge-winnen schnell an Vertrauen und Selbstsicherheit, viele Verhaltensprobleme lösen sich dann auf und die Beziehung zwischen Halter und Tier wird immer inniger. Das Tier hat wieder Lebensfreude und ist unbeschwerter, wodurch dann einem entspannten, harmoni-schem Zusammenleben nichts mehr im Wege steht. :-)

 

Bei einigen Tieren heilt die seelische Wunde jedoch nie komplett aus, das betrifft häufig Katzen, dennoch ist es meiner Erfahrung nach auch bei ihnen möglich, ihre innere Anspannung und den Stresslevel so zu reduzieren, dass sie relativ gut damit leben können.

 

Nicht nur Tiere, auch wir Menschen leiden häufig an den Folgen einer seelischen Trau-matisierung, die wir in den ersten Lebensjahren erworben haben. Die Dynamik und die Auswirkungen des Traumas sind ganz ähnlich wie bei unseren Tieren, sie können unser Leben sehr stark beeinträchtigen. Wenn dich dieses Thema interessiert, dann kann ich

dir die Bücher von Peter A. Levine sehr empfehlen.

 


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